Segelyacht Gemma

Reiseberichte

Heimreise 2004

Strecke Türkei bis Holland = 2277sm

Reise 2004
1. Etappe: Winteraufenthalt in der Türkei

Ende April 2004 beenden wir unseren Winteraufenthalt in der Yacht Marina Marmaris. Wir haben uns in der Marina und im Ort Marmaris sehr wohl gefühlt. Die Winterzeit war schnell vorbeigegangen:

Im November unternahmen wir eine Reise mit einem Mietauto entlang der türkischen Küste bis fast zur syrischen Grenze, dann hinauf durch das Hochland nach Kappadokien. Die dortigen Feenkamine erinnern an Raukaare in Schweden. Die unterirdischen Städte geben beeindruckende Zeugnisse über die Vergangenheit als sich die verfolgten Christen unter die Erde flüchten mussten. Hier spielte sich das Leben ab mit Wohnungen, Ställen, Schulen, Kirche und Friedhof. Ein ausgeklügeltes System gewährleistete Frischluft und Verständigung über alle Ebenen. Diese Städte wurden nie eingenommen.
Wein wird hier auf großen Flächen angebaut. Wir mussten die Rebstöcke suchen: sie kriechen, im Winter kahl, flach über die Erde. Der Wein ist hervorragend. Zurück in Richtung Westen ging die Fahrt durch das Hochland, wir besuchten Pamukkale mit seinen Sinterterassen und die antike Stadt Ephesus. Izmir bot Trubel und Verkehrschaos in unserm Sinne sowie leider geschlossene Museen wegen der Feiertage zum Ende des Ramadan.

Weihnachten und den Jahreswechsel verbrachten wir wie im Jahr zuvor bei Birgit in Erlangen, daran schloss sich ein Kurzbesuch in Grevenbroich an. Zum Abschluss des Heimataufenthalts durften wir in Kiel mit Margrit und Wolfram deren 40.Hochzeitstag feiern.
Ende Januar flog Erhard zu einem Kurzbesuch nach Berlin, um sich ärztliche Untersuchungen zu unterziehen.
Etwas verspätet starteten wir die große Aktion des kompletten Neuanstrichs von Gemma. Gut 6 Wochen standen wir auf dem Trockenen, umgeben vom Plastikzelt. Es hat sich gelohnt, am Schluss erstrahlte Gemma im neuen Weiß.
Karla flog Anfang März nach Deutschland zum Klassentreffen, vor 40 Jahren hatte sie das Abitur bestanden.

2.Etappe: Türkei bis Griechenland (427sm)

Mit den Vorbereitungen für die lange Heimreise verging die Zeit schnell bis zum Start am 30. April 2004. Unser Plan ist eine Heimreise in möglichst großen Etappen. Nach einer ersten Übernachtung vor Anker in einer ruhigen Bucht der griechischen Insel Alimia erreichen wir am 02.05. die Hafenstadt Khania auf Kreta. Am 4. Mai starten wir mit Ziel Peloponnes und werden diese Fahrt nie vergessen. Wegen Starkwindvorhersage ändern wir den Kurs zur Insel Kitara, um dort in einer geschützten Bucht zu übernachten. Der Starkwind trifft nicht ein, also wollen wir die Gelegenheit nutzen und gehen zurück auf alten Kurs. Mit Wind von Achtern ist die Nachtfahrt unruhig, wir sichten Delfine und andere große Wasserlebewesen, die wir nicht namentlich kennen. Am Morgen verstärkt sich der Wind, wir empfangen eine Sturmwarnung. Zum ersten Mal im Leben setzten wir die Sturmfock bei immer höher werdenden Wellen, die uneinheitlich laufen, da wir uns im flacher werdenden Wasser der Küste nähern. Der Niedergang ist immer geschlossen damit keine möglicherweise einfallende See ins Schiffsinnere ablaufen kann. So erwischt es Karla als die Welle uns überrollt und das Schiff im Brechen von Back- nach Steuerbord wirft. Zum Glück wie üblich angeleint, ist Karla nur völlig durchnässt. Eine Winschkurbel, die Tröte und mehrere Kleinteile gingen über Bord, das Fernglas hängt mit dem Trageriemen am Motorzug. Unter Deck ist großes Durcheinander. Das Wasser fließt schnell ab, bis auf die Verluste entstand kein Schaden, nur wenig Wasser drang ins Schiff. Wir sind mit dem Schreck davongekommen. Eindrucksvoll ist die Einfahrt in die Buch von Pilos: hohe Wellen klatschen an die Felsenküste bei Böen bis zu 28 m/s (10Bf). Nach dem Muster eines Einheimischen gelingt die Einfahrt in den Hafen unter Ausnutzung des Wellenlaufs. Dort werden wir mit Applaus und Festmachhilfe empfangen. Bei diesen Wetterverhältnissen sind wir froh, einen Platz im Hafeninnern einnehmen zu können, die Außenmole wird überspült, die dort festgemachten Yachten werden ständig mit Gischt übersprüht. Wir sind froh, die Fahrt und Hafeneinfahrt gut überstanden zu haben, räumen auf, spülen die Wäsche mit Süßwasser und erholen uns.

Am 8.05. hat sich das Wetter beruhigt. Bei der Ausfahrt aus der Bucht ermessen wir die Tücken der Küste und preisen uns glücklich, hier heil eingelaufen zu sein. Von Katakolo, dem nächsten Hafen auf dem Peloponnes, aus machen wir einen Ausflug per Leihwagen nach Olympia. Wir besichtigen die Sportstätten und das Museum und essen anschließend Fisch am Strand des Dorfes Kakovatos. Es ist viel Wind, wir bringen weitere Leinen aus und bleiben bis zum 12. Mai. Der Ort ist der Anlaufhafen der Touristenschiffe für Ausflügler nach Olympia mit den entsprechenden Lokalen und Geschäften. Da weiter Starkwind angesagt ist, wollen wir in einen sicheren Hafen und größeren Ort, um uns eventuell länger aufzuhalten. Argostoli auf der Insel Keffalinia bietet sich an. Längsseits an der Pier bei auflandigem Wind verbringen wir vorsichtshalber den ersten Abend an Bord.
Wir sollen noch reichlich Gelegenheit zur Inselerkundung erhalten. Das Festessen zu Karlas 60. Geburtstag am 13. Mai ist lecker im britisch geprägten Restaurant. Das Wetter wird ruhiger, aber frischer Wind lässt frösteln. Wir bleiben 9 Tage bis zum 21. Mai bei anhaltend kühlem Wetter und häufiger Geruchsbelästigung. Bei einem Ausflug mit dem Bus zum Kloster Agios Gerassimos erleben wir das Inselinnere in frühlingshafter Blütenpracht. Im dort angeschlossenen Weingut gibt es Robola-Wein, eine Inselspezialität, in 5 l-Kartons. Wegen des Gleichgewichts beim Tragen kaufen wir 2 Stück. Wir erholen uns in einer Taverne, wissen aber nicht, dass wir den Bus für die Heimreise hier per Handzeichen stoppen müssen, so fährt er vorbei. Der nette Wirt erkennt die Situation, lädt uns schnell in sein Auto und fährt uns hinter dem Bus her, damit wir nicht noch Stunden auf den nächsten warten müssen.
Eine weitere Busfahrt führt nach Sami, dem Hafen auf der anderen Seite der Insel. Gut, dass wir in Argostoli liegen, es ist dort „normaler“ und belebter. Sami ist ein Fährhafen und entsprechend durchgangs-touristisch. In Argostoli stört halt der Gestank, aber es gibt sehr gute Einkaufsmöglichkeiten und einen Waschsalon, allerdings weit weg. Die teuren, britisch geprägten Restaurants sehen wir nicht mehr von innen. Nach unserem Start zur Fahrt zur Strasse von Messina früh am 21. Mai verquatschen wir das letzte griechische Telefonguthaben mit Familienmitgliedern in Deutschland.

3. Etappe: Griechenland bis Italien (877sm)

Nach 48 Stunden Fahrt unter Motor (wenig Wind aus Westen, entgegen der Vorhersage) erreichen wir die Strasse von Messina. Bei grauem Himmel laufen wir Sonntag früh im Hafen von Reggio di Calabria ein. Diesen Hafen kann man eigentlich auslassen. Er bietet zwar Wasser und Duschen, ist aber teuer (40 €) und laut wegen der nahen Stadtautobahn, der Eisenbahn und der Fährverladung. Restaurants und Geschäfte sind weit weg, der Weg zur Stadt hat Hafencharakter im schlechten Sinne.
Die weitere Passage der Strasse von Messina am Montag verläuft angenehm, wir können sogar segeln. Um das ruhige Wetter zur Weiterfahrt auszunutzen, bleiben wir leider nur einen Tag in Milazzo auf Sizilien. Nach Einkäufen, Stadtgang durch den schönen Ort, Essen in Tavola Calda und dem Besuch einer Eisdiele legen wir abends um 20 Uhr ab mit dem Ziel Sardinien. Wegen des sehr häufigen Austritts vom schwarzem Ruß aus dem Motorauspuff hatten wir einen „Kundigen“ bestellt, er konnte nicht helfen. Die Fahrt verläuft ruhig, bei so gut wie keinem Wind ständig unter Motor. Sogar für den Parasailor ist zu wenig Wind. Schiffe sehen wir selten, die Luft ist klar.
49 Stunden später, am 27. Mai, erreichen wir Arbatax an der Ostküste von Sardinien. Wir erhalten spätabends einen Liegeplatz direkt am Restaurant in der gut funktionierenden Marina und freuen uns über den Vorsaisonpreis von 10 € pro Nacht. Das Marinarestaurant bietet ausgezeichnetes landestypisches Essen zu erstaunlich günstigem Preis. Die Versorgung vor Ort (1 Laden) ist ansonsten nicht gut. Die Ferienansiedlungen ringsum sind noch nicht belebt. Mit dem Bus ist man schnell in Tortoli, einem verschlafenen Landstädtchen.

Am 1. Juni starten wir zur Weiterfahrt längs der Ostküste Sardiniens gen Norden. An der Tankstelle hatte es Unstimmigkeiten bezüglich der getankten Dieselmenge gegeben, leider konnten wir nicht beweisen, dass wir etwa 40 l teure Luft mitgetankt hatten. Das Wetter ist bedeckt, der Wind ändert dauernd Stärke und Richtung und steigt am Nachmittag auf 6 Windstärken mit Böen von 7 an, natürlich von vorn entgegen der Vorhersagen. Wir beschließen, die Nacht in der Ankerbucht Porto Brandnighi zu verbringen. Die Bucht ist wundeschön, weißer Strand, Pinien, glasklares Wasser, wie in einem Reiseprospekt. Wegen des starken Windes bleiben wir den nächsten Tag und bedauern, kein Beiboot zum Landgang klar zu haben. Der Aufwand wäre uns zu groß geworden, ein Beiboot schleppen wollen wir nicht, da wir Strecke machen wollen.
Die Fahrt geht längs der schönen und abwechslungsreichen Nordostküste zur Ankerbucht Porto Palma auf der Isola Caprera, die zur Inselgruppe La Maddalena nordöstlich von Sardinien gehört. Das Ankermanöver findet im heftigen Gewitterregen statt. Dieser schreckt aber nicht die Schüler der Segelschulen, die um uns herum eifrig weiter ihre Übungen abhalten. Auch am nächsten Morgen ist es nicht langweilig, ständig flitzen die Ausbildungsboote um uns herum, wir geben ihnen eine gute Wendemarke oder ein zu umfahrendes Hindernis ab.
Die folgende Nacht verbringen wir in der nahen Marina Porto Palau und verproviantieren uns für die Weiterfahrt zum französischen Festland.

4. Etappe: Italien bis Süd- Frankreich

Am 5. Juni starten wir frühmorgens bei wenig Wind. Es wird eine ruhige Fahrt bei Sonnenschein, fast ständig muss der Motor mitlaufen. Am Nachmittag des 6. Juni erreichen wir Hyères am französischen Festland (Cote d’Azur). Schon beim Einlaufen in die Hafenanlage bei inzwischen starkem Wind erhalten wir einen seltsamen Eindruck. Nichts rührt sich, wir machen nach Gutdünken unterhalb der Capitainerie fest. Dort sitzen Menschen im Tower, die auf den Hafen herunterblicken. Wir wollen uns anmelden, erhalten aber die Auskunft, dass der Hafen z. Zt. geschlossen sei wegen Bauarbeiten. Gnädig erlaubt man uns bis zu einer hoffentlich baldigen Windabschwächung zu bleiben, übernachten dürften wir allerdings nicht. Der nächste erreichbare Hafen ist auf der Insel Poquerolle. Wir waren an der Insel schon vorbeigefahren und wollten sie nicht anlaufen wegen der hohen Liegepreise. Nun bleibt uns nichts anderes übrig. Am Spätnachmittag machen wir in der Marina fest.
Beim üblichen Check nach der langen Reise macht Erhard eine schlimme Entdeckung: der Maschinenraum ist vollgespritzt mit Motoröl, der Ölpeilstab war während der Überfahrt von Hyères rausgeflogen. Glücklicherweise befindet sich eine Werkstatt auf der Insel, sogar mit englischem Besitzer, so dass gute Verständigung möglich ist. Es stellt sich heraus, dass eine große Motorreparatur vonnöten ist. Der Motor muss ausgebaut und komplett überholt und repariert werden. Wir stellen uns auf einen langen Aufenthalt ein. Die Insel ist ein wunderbarer parkähnlicher Garten mit Wein- und Olivenanbau und verfügt über Buchten mit Badestränden. Sie wird hauptsächlich von Tagesgästen besucht, abends kehrt Ruhe ein. Überallhin führen gepflegte Wege für Wanderer und Radfahrer durch Pinienwälder und Oleanderhaine, Autos gibt es keine. Das Wetter bietet Sonne, Regen und den Mistral. Der Wermutstropfen ist die Liegegebühr und die hohen Preise der Restaurants und Lebensmittel. Trotzdem, es hätte schlimmer kommen können. Haben wir doch die bisherige Fahrt heil überstanden.
Am 19.06. wird der reparierte und komplett überholte Motor wieder eingebaut, wegen Starkwind müssen wir aber bis zum 22. bleiben. Die kurze Testfahrt mit dem Werftchef lässt alles ok erscheinen, der Schreck folgt später mit der Feststellung von Dieselaustritt im Motorraum. Dichtungswechsel und Reinigung sind eine schlimme Arbeit für Erhard während der Fahrt.

Im Hafen von La Ciotat auf dem Festland hat uns die normale Welt wieder. Der Küstenabschnitt ist Feriengebiet, die Saison hat begonnen, im Hafen von Cassis können wir nur kurz zum Brotkauf festmachen, er ist voll belegt. Die Schönheit der Felsenbuchten, der Calanques, ist überwältigend. Das finden auch die vielen anderen Bootstouristen, für uns ist kein Platz mehr, zumal das Festmachen mit Landleinen hier wieder den Einsatz eines Beibootes erfordert. Wir genießen die Fahrt und freuen uns auf Marseille. Im Vieux Port liegen wir gut und sind mitten in der Stadt. Sie ist belebt mit Menschen aller Hautfarben und bietet Speisen, Lebensmittel und Blumen des gesamten Mittelmeerraums. Irgendwie ist überall Bazar. Wir gönnen uns eine echte Bouillabaise am Hafen. Leider drängt die Zeit, die Heimreise ist noch weit und Mastlegen und Vorbereiten der Kanalfahrt stehen an.
Am 26. verlassen wir Marseille und legen die letzten Seemeilen auf dem Mittelmeer zurück nach Port St. Louis du Rhône. In Port Napoleon wollen wir uns in Ruhe auf die Binnenfahrt vorbereiten. Dieser Hafen liegt abseits des Ortes, ständig kreischen die Möwen, die hier und im nahen Watt einen reich gedeckten Tisch finden. Erhard baut ein Holzgerüst für den Masttransport, wir wollen den Mast selbst mitführen statt per LKW transportieren zu lassen. Segel und Schoten werden verstaut, wir werden zum Motorboot. Der Fußweg zum Ort dauert 45 Minuten, wir nutzen das Marinataxi für Besorgungen. Während unseres Aufenthalts vernichtet ein Brand das neu erbaute Restaurant in der Marina. Im Hafen selbst finden wir schnell Kontakte mit Langfahrern, die ebenfalls auf der Heimreise vom Mittelmeer in nördliche Gefilde sind. Per Fahrt mit Leihwagen erhalten wir einen kleinen Eindruck von der Landschaft der Camarque. Flamingos, Pferde und Stiere sehen wir von der Strasse aus und beobachten sie von Aussichtsplätzen ausgiebig. Die Salzwiesen und Pflanzen erinnern ans Wattenmeer, dünenähnlich ist es an sandigen Abschnitten.
In Les St. Maries de la Mèr pausieren wir und bewundern die Touristenandenken, Töpfereien und bunte Stoffe. Im Nachhinein sind wir noch besonders froh über dieses Autoausflug. Dank des kanalisierten Ausbaus der Rhône mit der schützenden erhöhten Uferbefestigung samt Baumbestand sehen wir während des Fahrens nicht viel von der Landschaft mit den berühmten Sonnenblumen- und Lavendelfeldern. Dieser ungestüme Strom war seit uralten Zeiten der einzige Durchgangsweg vom Mittelmeer ins nördliche Europa, der nicht über steile Alpenpässe führt. Von hier begannen die Römer die Eroberung Galliens und hinterließen überall ihre Spuren. Heute ist der Fluss, durch gewaltige Wehre und Schleusenanlagen gebändigt, ein moderner Schifffahrtsweg.

5: Etappe: Von der Insel Porquerolles zur Rhônemündung, dann durchs Binnenland nach Norden (Rhône und Saône) (503sm)

Vor der Schleuse von Port St. Louis treffen wir zufällig unsere Ex-Nachbarn aus Marmaris. Wir tauschen unsere Reiseerfahrungen und Pläne für die Weiterfahrt aus. Bei leichtem Regen kommen wir schneller als erwartet gegen die Strömung der Grand Rhône, dem größten Mündungsarm der Rhône, voran. Unsere erste Tagesetappe ist Arles, wir wollen die Vignette für die Kanalfahrt durch Frankreich kaufen und die Stadt erkunden. An der Tankstelle wird Sportbooten das Anlegen nicht leicht gemacht, Festmachen ist für Großschifffahrt ausgelegt. Mit Überredungskünsten können wir ohne Wartezeit Diesel übernehmen und uns danach nach einem Übernachtungsplatz umsehen. Der Gästeponton ist kurz und belegt. Ein offensichtlicher Dauerlieger zeigt Ablehnung gegen seitliches Festmachen mit dem Schild „Frisch gestrichen“, ein anderer bemüht sich um Baustellenambiente, der nächste gibt sich besonders unfreundlich. An einem französischen Motorboot mit verständnisvoller Besatzung können wir endlich festmachen. Das fängt ja gut an! Die Franzosen legen bald ab, mit dem freien Platz an der Pier können wir uns unabhängig von anderer Leute Pläne vom Schiff entfernen. Wir besuchen den Markt, die römischen Thermen und das Kloster mit Kathedrale. Im antiken römischen Theater werden Stierkämpfe dargeboten. Es handelt sich hier um den „Course Camarguese“, wobei der schwarze Stier nicht verletzt oder gar getötet wird. Es ist reines Spiel zwischen Mensch und Tier, das Zuschauen ist aufregend und macht Spaß.

Nach 2 schönen Tagen geht es weiter Rhône-aufwärts vorbei an den Festungen von Beaucaire und Tarascon. Wir meistern die 1. Schleuse mit 15 m Höhe ohne Probleme. Die Schleuseneinfahrt wird durch Lichtsignale geregelt, dann kann man mittschiffs an einem Schwimmpoller festmachen. Den Abstand zur Schleusenwand vorn und achtern halten wir mit Hilfe eines bereitgehaltenen Bootshakens. Den Hafen der mit Festungswällen umgebenen Papststadt Avignon finden wir voll belegt vor. Unsere Enttäuschung darüber verfliegt schnell. Der Hafenmeister empfahl uns nämlich nachzufragen, ob wir auf Päckchen gehen dürfen. Längsseits an einem großen englischen Motorboot sind wir willkommen. Zu unserer Überraschung wird das Liegegeld um 25 % ermäßigt, wegen Liegen in der 2. Reihe, erstaunlich! Die belebte Strasse stört kaum, wir liegen nahe an der Stadt und die Engländer versprechen langes Bleiben, so dass wir wieder alle Freiheit für unsere Unternehmungen haben. In der Stadt wimmelt es von kostümierten Schauspielern, es findet ein Theaterfestival statt und an allen Ecken werden Pantomimen und kleine Aufführungen geboten. Wir bestaunen die bunte Vielfalt ausgiebig beim Essen unter freiem Himmel im Theaterviertel. Avignon beeindruckt des Weiteren mit der berühmten Brücke Pont Saint-Bénézet unterhalb des Papstpalastes. Schon bei der Vorbeifahrt an dem unfertigen Bauwerk kommt einem die Melodie „Sur le pont d’Avignon ..“ in den Sinn. Es gibt genügend Postkarten und andere Abbildungen der auf dem Brückenabschnitt tanzenden Menschen.

Bei der Weiterfahrt müssen wir leider feststellen, dass Karte und Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Die auf der Karte angegebene Festmachemöglichkeit nahe einem kleinen Weindorf, die wir heute erreichen wollten, existiert nicht. So wird es uns im Laufe der Reise noch oft ergehen. Vor 2 Jahren wurden sehr viele Festmachepontons vom Hochwasser weggespült und bisher nicht erneuert. Für Sportboote ausgewiesene Halteplätze sind außerdem häufig mit dem Schild „Nur für Passagierschiffe“ bestückt – und bleiben dann frei. So landen wir in einem geschützten Seitenarm der Rhône in der Marina L’Ardoise. In dem kleinen „Präriehafen“ ist noch viel Platz und bei der netten deutsch sprechenden Hafenchefin sind wir bei dem vorherrschenden starken Wind gut aufgehoben. Trotz weiterhin sehr starkem Wind kommen wir gut voran und meistern auch die größte der Schleusenanlagen bei der Durchfahrt von Donzère-Mondragon. Diese war zum Zeitpunkt ihrer Erbauung mit 23 m Hub die höchste der Welt.
Unterhalb der alten Bischofstadt Viviers können wir am Spätnachmittag mit Hilfe von 2 Frauen an einem kleinen Ponton festmachen. Die Anlegestelle ist mal wieder reserviert für Passagierschiffe. Ein Schauspiel bietet sich, als sich ein Sportboot bei der Einfahrt in den Hafen festfährt. Man hatte den Verlauf der Fahrwassertonnen nicht beachtet. Es dauert lange, bis Schlepphilfe eintrifft. Erhard hatte Probleme mit der Verständigung beim Suchen nach einem Helfer. Wir selbst hätten die flache Stelle nicht anlaufen können. Bei weiter starkem Wind verbringen wir einen Hafentag mit Bummeln im netten gepflegten Ort mit seinen malerischen Vierteln und seiner Burganlage, von wo aus am Abend ein Feuerwerk gezündet wird. Weiter geht’s bei unangenehm starkem Wind von vorn. Schleusen wird Routine. Trotzdem erleiden wir einen Schaden an Scheuerleiste und Rumpf nach Abreißen eines Fenders in einer großen Schleuse. Der Schleusenwärter hatte den Schleusenvorgang zu sehr beschleunigen wollen.

Am 18. Juli erreichen wir nach etwa 320 km Flussfahrt bergauf und Passieren von 13 Großschleusen Lyon, die zweitgrößte Metropole Frankreichs, am Zusammenfluss von Rhône und Saône. Unser Liegeplatz ist wieder mitten in der Stadt, schnell erreichen wir das alte Viertel mit seinen historischen Gebäuden und unzähligen Gaststätten. Weiter geht die Fahrt nun auf der gemächlich dahinfließenden Saône mit breiten Schilfgürteln, alten Kähnen und einer Vielzahl von Wasservögeln. Das Schleusen erfolgt nun in Selbstbedienung: vor der Schleuse hängt über dem Fluss ein dickes Plastiktau herunter. Man muß es einmal fest drehen, wie ist auf einem Schild dargestellt, danach wird die Einfahrt in die Schleuse per Lichtsignal freigegeben. In der Schleuse muss eine blaue Stange hochgehoben werden, dann beginnt das Schleusen. Das Anlegen von Schwimmwesten während des Schleusens ist nun nicht mehr vorgeschrieben.
Unser erster Übernachtungsplatz im Beaujolais, Jassans Riottier, gegenüber dem bekannten Weinort Villefranche erweist sich als Enttäuschung. Es gibt zwar eine gute Steganlage, aber das direkte Hinterland ist undurchsichtig, der weite Weg zum Ort führt entlang der Hauptdurchgangsstraße. Da gefällt es uns in der alten Schleuse von Gigny schon besser. Beim Abendessen im Restaurant bringt das heftige Gewitter nach einem schwülen Tag eine erfrischende Abkühlung.
Wir fahren nun fast täglich Etappen von ca. 80 km mit mehreren Schleusen, manche davon mit Selbstbedienung. Die Liegeplätze laden selten zum Verweilen ein, die Ansiedlungen sehen oft verlassen und dementsprechend heruntergekommen aus. Das Wetter wird schwül-heiß. Aber es wird auch wieder schön! Am Stadtkai von Pontailler liegen wir gut, wir haben den Fluss im Blick und können beim „Zwiebelfest“ lokale Spezialitäten probieren. Das teure Abendessen im Restaurant ist leider etwas touristisch. Am 26. Juli, nach unserer ersten Tunnelpassage, fühlen wir uns wieder wohl am Anleger von Seveux. Der kleine Ort ist gepflegt, der Park der Burg steht Spaziergängern offen und von dort oben hat man eine sehr schöne Aussicht auf das liebliche Land ringsum. Wir genießen einen Tag „Sommerfrische“ nach kurzer Fahrt. In dieser schönen Gegend sind viele Urlauber mit Motor-Charterbooten unterwegs, Langfahrern wie wir begegnen wir kaum. Die wenigen Segler fahren ebenfalls täglich möglichst lange Strecken.
Die Marina Port/ Saône im Grünen bietet etwas Versorgung an einem unschönen Straßendorf nach Fußmarsch. Bei Baulay lockt ein idyllischer Liegeplatz zum spontanen Verweilen nach sehr kurzer Tagesfahrt. Schade, dass nicht bekannt war, dass hier morgens ein Bäcker mit seinem Verkaufswagen die Anlegestelle anfährt. Bei deutschen Wirtsleuten am anderen Ufer können wir uns gut unterhalten und ebenso essen. Das Wetter bleibt schwül, die schöne Landschaft mildert unsere Enttäuschung über diesen Reiseabschnitt. Vielleicht waren wir allerdings aber zu eilig und hatten zu hohe Erwartungen z. B. durch die Erinnerungen an unsere Reisen durch das schwedische Binnenland.

6. Etappe: Canal de l’Est, Mosel, Maas bis Holland (470sm)

In Corre, wieder ein enttäuschender Ort, beginnt die Fahrt durch den Canal de l’Est. Ab jetzt wird es langsam vorangehen, der Kanal ist eigentlich eine einzige Schleusentreppe. Am Tag werden wir bis zu 33 Schleusen durchfahren. Hier in Corre bekommt man ein Funksignalgerät. Vor der Schleuse muss man an der Seite einen Apparat anfunken. Wenn er gelb blinkt wird die Schleuse präpariert. Die Einfahrtserlaubnis wird per Lichtsignal angezeigt. Fontenoy-le Château bietet dank Charterbasis einen netten Hafen und hübschen Ort mit einem kleinen Stickereimuseum. Hier sehen wir zum letzten Mal unsere Nachbarn aus Marmaris vorbeifahren. Leider haben sie keine Zeit zum Verweilen, denn gern hätten wir etwas über ihren Reiseverlauf erfahren.
Wir erreichen bald die Höhe von 360 m und nähern uns der Mosel. In Charmes verbringen wir einen Hafentag am Anleger beim Caravanplatz nahe dem Städtchen. Schwüles Wetter und häufiges langes Warten vor den Schleusen heben die Stimmung nicht. Am 6. August befinden wir uns auf der Mosel, übernachten vor der Schleuse von Villey le Sec. Unzählige Angler haben den Wasserweg gesäumt, wir vermuten Angeldraht in der Schraube. Beim morgendlichen Tauchgang bestätigt Erhard diese Vermutung zum Glück nicht.
Nun säumen die Schlacht- und Gräberfelder des 1. Weltkriegs das Ufer. Toul bietet einen Hafentag mit guter Versorgung. Wir besichtigen die Festung und Kathedrale. Verdun präsentiert sich im Regen und zeigt sich als eine Stadt, die zwiespältige Gefühle auslöst. Der erste Weltkrieg ist hier allgegenwärtig. Überall begegnet man Touristen, die auf den Spuren ihrer gefallenen Ahnen sind. Das Andenken an Schlachten und Kriegsschauplätze wird für die Touristen in jeder Form vermarktet.
In Stenay, einem netten Kleinstädtchen, finden wir 4 Tage Erholung dank ruhiger Liegemöglichkeit im gepflegten Hafen und passablem Restaurant in der Nähe. Das Biermuseum bietet Informationen über das Brauen und stellt alles mögliche Zubehör wie z. B. Bierdeckel, -flaschen und Reklameartikel aus aller Welt aus. Aus Deutschland ist hier so gut wie nichts vertreten! Flüssige Proben gibt es nur in Flaschenmengen. Wir müssen „Strecke machen“, stoppen über Nacht in Charleville-Mézière. Hier kann der Hafen wegen der Durchfahrtshöhe von 3 m nicht erreicht werden, wir liegen auf Päckchen am Fluss! Über die Brücke führt der Weg in das Städtchen, das netter ist als erwartet. Hier findet man schöne Restaurants am historischen Marktplatz. Dank zügigem Weiterkommen durch die Ardennen können wir einen letzten Hafentag in Frankreich verbringen. Fumay bietet einen gastlichen Anleger.

Am 17.08. verlassen wir Frankreich mit Passieren der Schleuse von Givet. Der schleusenintensivste Teil der Reise ist vorbei, nun erwarten uns die großen Schleusen für die Berufsschifffahrt. Dinant an der Maas, die wir nun befahren, bietet uns einen Liegeplatz mitten in der Stadt unterhalb der Zitadelle, direkt an einer Ampelkreuzung mit Baustelle. Zu allem Überfluss regnet es in Strömen auf dem Fußweg zur Schleuse. Dort bezahlen wir 1,03 € Gebühr für die Benutzung der belgischen Schleusen. Der Preis des leckeren Muschelgerichts wird allerdings vom vorherrschenden Tourismus geprägt.
Unser nächster Stopp ist bei Huy in einer kleinen Marina, leider weit weg vom Städtchen. Wieder regnet es stark. Die Maas ist nun gesäumt von Industriekomplexen und Kühltürmen des nahen Atomkraftwerks. In Lüttich fühlen wir uns wohl in der Marina im Herzen der Stadt. Diese geschichtsträchtige Stadt mit ihrer belgischen Gemütlichkeit gefällt uns gut, obwohl wir uns in der Stadt so oft wie nie zuvor verlaufen. Sonne, Regen und kalter Wind wechseln sich ab wie im April.

In Maastricht, nun schon in Holland, liegen wir mitten im Fluss auf Päckchen am Steiger mit Zugang auf die Brücke. Beim Stadtgang fühlen wir uns schon wie Heimkehrer. Roermond ist ein guter Ausgangspunkt für Fahrten nach Deutschland. Hier legen wir Hafentage ein, um mit einem Mietwagen zu ersten Wohnungsbesichtigungen zu fahren. Das regnerische und kalte Wetter verlockt nicht zum Bummeln. Wir ankern noch einmal bei Nijmwegen in Mookerplas, wegen zu niedrigem Wasserstand können wir nicht anlegen. Die schöne Umgebung tröstet etwas darüber hinweg, dass wir die volle Hafengebühr zahlen müssen, obwohl wir ohne Beiboot weder Müllbeseitigung noch Hafeneinrichtungen nutzen können. Man kommt mit dem Schlauchboot nur zum Kassieren.
Gegen die Strömung auf dem Rhein erreichen wir am nächsten Tag den Passantenhafen von Doesburg bei Regen. In der Schleuse war uns ein Fender abgerissen, beim Sprung auf den Steg stürzt Erhard auf den glitschigen Brettern. Die heftigen Schmerzen am Schienbein werden ihn noch lange daran erinnern. Mit der Strömung geht es auf der Ijssel schnell nach Kampen. Der Sommer ist zurückgekehrt, Wiesen, Kühe, Windmühlen, blauer Himmel mit weißen Wolken und sogar Störche lassen „Hollandgefühl“ aufkommen. Es fehlt nur noch das Erscheinen von Frau Antje. In Kampen kennen wir uns gut aus, es wird ein schöner Abend.

Am 29.08. erreichen wir Harderwijk, Ausgangs- und Endpunkt unserer Reise. Die Langfahrt ist vorbei. Am 02.09.2004 verlassen wir Gemma per Auto und beziehen eine möblierte Wohnung bei Köln, um von dort ein neues Zuhause zu suchen.

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18.1.2006