Segelyacht Gemma

Reiseberichte

Abschiedstörn 2005

Im Winter 2004/2005 beziehen wir unsere Wohnung in Erkrath. Zu Weihnachten ist die Einrichtung komplett, die eingelagerten Möbelstücke haben den Kelleraufenthalt gut überstanden, die Neuanschaffungen sind gut gewählt. Nun können wir Wurzeln schlagen und weitere Pläne schmieden. Wir entschließen uns, Gemma ab nächstem Jahr in Kiel zu beheimaten, um von da aus den Sommer auf der Ostsee zu verbringen. Der ausgewählte Liegeplatz an der Förde gefällt uns leidlich. Wir planen eine ausführliche Überführungsfahrt von Harderwijk aus, um unseren „alten Hausrevieren“, Ijsselmeer und Friesland, sowie der Nordsee Adieu zu sagen. Da wir uns langfristig von Gemma trennen wollen bemühen wir uns parallel zu den Reisevorbereitungen auch um einen Käufer. Mit tatkräftiger Hilfe von Wolfram wird das Schiff in einer Woche in Harderwijk fahrbereit gemacht. Das war viel Arbeit, schließlich war ja auch der Mast noch von der Binnenfahrt des letzten Jahres her gelegt. Dank seines Bruders gelingt Erhard die Arbeit gut, schnell und er ist nicht so einsam alleine auf der Werft. Nun liegt Gemma, klar zur Reise in den Norden, am altbekannten Platz im Vissershaven Harderwijk. Unser Einzug kommt uns wie eine Heimkehr vor. Wir können Brigitte und Jürgen, unseren Kaufinteressenten, ein gut gepflegtes und fahrbereites Schiff präsentieren. Nun geht alles schnell. Die beiden netten Menschen sind sofort angetan von Gemma und nach einer Probefahrt entschließen sie sich verbindlich zum Kauf. Wir atmen tief durch und sagen ja, nicht zuletzt weil wir glauben, Gemma in gute Hände zu geben. Aber im Moment heißt es für uns umplanen, wir kommen kaum zum Nachdenken über diese schnelle Entscheidung und ihre Konsequenzen. Brigitte und Jürgen bitten uns um Überführung in den Süden. Sie wollen in’s Mittelmeer und können aus Zeitgründen die Reise nicht selbst durchführen. Wir sagen gern zu, denn zum einen bedeutet das für uns, nicht auf die Schnelle den endgültigen Abschied nehmen zu müssen. Zum anderen haben wir besonders die Fahrt längs der portugiesischen Küste in bester Erinnerung. Nun haben wir die Möglichkeit, diese zu wiederholen. Gut 3 Wochen benötigen wir für die Abwicklung des Kaufs und der Formalitäten sowie für die Vorbereitung für den Überführungstörn. Wir wollen längstens bis Gibraltar fahren und auf der Strecke Brigitte und Jürgen an Bord nehmen. Die letzte Etappe (geplant sind dafür 1 bis 2 Wochen) bis zur endgültigen Übergabe möchten wir gemeinsam fahren und dabei die zukünftigen Eigner mit dem Schiff vertraut machen.

Am 26. Mai bringt Dorle uns nach Harderwijk. Bei ungewöhnlich warmem Wetter benötigen wir 4 Stunden für die Autofahrt, das Doppelte wie normalerweise. Feiertag mit langem Wochenende in Deutschland! Schiff Schrubben, Einkaufen, ein letztes Mal Fischsuppe von der Fischbude holen, auf geht’s am 28. Mai bei über 30 °C. Wehmut kommt auf. Bei zunehmendem Wind bis 6 Bft von vorne motoren wir bis Urk. Die sehr klare Sicht am Abend, wir können weit bis zum gegenüberliegenden Ufer des Ijsselmeers sehen, verheißt nichts Gutes. Der nächste Tag bringt Abkühlung und kaltes Regenwetter, wir pausieren in Marken. Im Hafen Aeolus nahe Amsterdam wollen wir darauf folgend nicht bleiben, Wind und Regen von Achtern mögen wir im Hafen nicht. Das Liegen in der anderen, besseren Richtung wird wegen befürchteter „Kalamitäten“ (?) nicht geduldet. Der Sixhaven (Amsterdam) ist übervoll und außerdem mehr Baustelle als Hafen, wir verzichten auf die Stippvisite in Amsterdam. Wir kennen von früher eine Anlegemöglichkeit im Nordseekanal und finden im Industriegebiet einen passablen Platz für eine Übernachtung 5 km vor Ijmuiden. Es ist so ungemütlich kalt, dass wir heizen müssen und das Schiff nicht verlassen. Unter Motor erreichen wir die Schleuse, dann endlich unter Segel am 31. Mai den Hafen von Scheveningen. Beim Test der Schwimmwesten stellen wir fest, dass Erhards Schwimmweste defekt ist, auch Goliath macht ein Problem. Wir richten uns auf eine längere Liegezeit in Scheveningen bei kaltem Wetter mit Regen ein. Bei dem vorherrschenden Westwind wollen wir sowieso nicht weiter. Erhard überholt die Selbststeueranlage mit Erfolg, auch eine neue Schwimmweste wird angeschafft. Der Aufenthalt fällt uns nicht schwer, denn es ist „Vlaggetjesdag“. Dies ist ein großes Hafenfest zur Eröffnung der Matjessaison. Der Hafen und die Schiffe sind geschmückt mit unzähligen Fähnchen, rund um das Hafenbecken stehen Fisch- und Marktbuden, ein Paradies. Die Augen genießen die Fischkutterparade, die Mägen so viele Matjes wie nie. Wir essen außerdem „smakkelig“ im Restaurant, der Westwind kam nicht ungelegen.

Los geht’s am 6. Juni morgens mit dem Ziel, viel Strecke zu machen. Nach 265 sm, 47 Stunden Fahrt bei günstigem Wind, laufen wir am 8. Juni um 07:00 Uhr Cherbourg an (2 Nachtfahrten). Wir trauen dem Wetterbericht nicht so recht und wollen kein Risiko eingehen. Die Nachtfahrten bei starkem Wind im Kanal hatten Erhards höchste Aufmerksamkeit und vollen Einsatz gefordert. Die günstige Windrichtung soll nun anhalten, wir nutzen die Chance. Nach fast 2 ganzen Tagen und einer Nacht Aufenthalt starten wir am 9. Juni gegen Mittag zu Überquerung der Biskaya mit Ziel Caraminas in Galizien/Nordspanien. Wir schaffen die Strecke von 520 sm in 91 Stunden. Es ist eine schöne Fahrt, mal unter Segeln, mal motorend, mit meist achterlichem Wind. Die Nächte sind wolkenlos, selten sehen wir Fischer in der Ferne. Das Spiel der Delfine fasziniert immer wieder und lässt die Zeit schnell verstreichen. In der letzten Nacht bemühen wir uns bei einsetzendem Regen um langsame Fahrt, um im Hellen in Camarinas einzulaufen. Trotz der Ortskenntnis (von vor 3 Jahren) ziehen wir es vor, die schwierige Ansteuerung und das Einlaufen in Caraminas bei zunehmender Helligkeit vorzunehmen. Am 13. Juni um 06:30 Uhr, im ersten Schummerlicht, sind wir fest im Hafen (4 Nachtfahrten). Wir haben die Biskaya zum 2. Mal allein zu zweit glücklich überquert und sind stolz auf uns. Unsere Wacheinteilung hat sich wieder bewährt, Karla schlief am frühen Abend, ging Wache von 12 bis 4 während Erhard schlief, hatte dann Ruhe bis morgens. Tags wechselten wir uns nach Bedarf ab.

Brigitte und Jürgen sind erstaunt über unser schnelles Fortkommen. Wir haben regelmäßig Kontakt und informieren über den Verlauf unserer Fahrt. Nun müssen die beiden planen, wo genau und wann sie uns zur gemeinsamen Weiterfahrt treffen können. Der Hafen von Caraminas wurde inzwischen renoviert, leider treffen wir den besonders netten Hafenmeister nicht mehr an. Im Clubhaus gibt es weiterhin leckeres und preiswertes Essen, jeden Abend sind wir hier Stammgäste. Wie vor 3 Jahren fühlen wir uns im Hafen und Ort wohl trotz kühlem Wetter und Regen, wie gehabt. Längs der Küste geht es weiter, bei Sonnenschein und endlich Wärme passieren wir Kap Finisterre. In Portosin besuchen wir die neue Marina. Hier ist alles nagelneu, aber der kleine Ort hat absolut nichts zu bieten und ist sehr enttäuschend. Wir nutzen die exzellenten Einrichtungen im Hafen (Waschmaschine, Restaurant) und fahren weiter. Am 19. Juni laufen wir weit in die Ria de Arousa ein und erreichen nach einer schönen Tagesreise von 40 sm den Ort Villagarcia. Ein Liegeplatz im Hafen mitten in der lebendigen Stadt entschädigt für Portosin. Am Abend landen wir zufällig in einem Spezial-Schinkenrestaurant, es bietet ein Superabendessen. Ein Tagesausflug mit der Eisenbahn nach Santiago de Compostila ist eine erholsame Abwechslung. Hier in den Bergen ist es nicht so heiß wie an der Küste. Santiago ist ein pulsierender – angenehm touristischer - Wallfahrtsort, das Ziel des Jakobswegs. Die beeindruckende Kathedrale hat allerdings dringend erhaltende Pflege nötig. Ein leckeres Muschel-Reisgericht im Marina-Restaurant gibt dem Tag einen würdigen Abschluss.

Es nähert sich der Termin für das Zusteigen von Brigitte und Jürgen. Wir planten als Treffpunkt Porto, da günstig zu erreichen. Unglücklicherweise bestätigt sich der Küstenklatsch, nämlich dass die dortige Marina abgebrannt sei. Somit kommt Porto nicht in Frage, wir einigen uns auf Figueira da Foz, weiter südlich. Diesen Hafen und Ort haben wir in sehr guter Erinnerung. Wir haben nun Zeit und wollen „urlauben“. Auf dem Ankerplatz von Bayona übernachten wir nach einem schönen Segeltag und genießen die Sicht auf Küste und Festung. Erinnerungen an unseren früheren Besuch werden geweckt. Viana do Castello ist unser nächstes Ziel, Schilderungen über diesen Ort haben unsere Neugier geweckt. Am 23. Juni erreichen wir dies Tagesziel nach einer Fahrt mit Morgennebel und schwachem Wind von vorn leider unter Motor. Nun ist schon Portugal erreicht, wir liegen im angenehmen stadtnahen Hafen neben der berühmten Brücke. Kulinarisch gesehen haben wir wieder Glück, es ist die Zeit des örtlichen Sardinenfestes. Auf Empfehlung der Dame im Touristbüro wird das Essen gegrillter Sardinen im Restaurant in Gesellschaft der Einheimischen ein leckerer Volltreffer. Der mittelalterliche Ort mit seinem bekannten Marktplatz, den schönen Kirchen und alten Häusern erfüllt unsere Erwartungen. Wir genießen unsere letzten Tage allein an Bord. Die Etappe bis Figueira wollen wir am Stück zurücklegen, Porto kann ja nicht angelaufen werden und die übrigen Häfen sind nicht nur nicht verlockende Ziele, sondern auch schwierig an- und auszulaufen. Dabei wäre dies nicht so das Problem, aber nun sind wir fest verabredet und wollen nicht das Risiko eingehen, unterwegs hängen zu bleiben oder sonst ein Risiko für das Schiff eingehen. So starten wir am Abend des 25. Juni und erreichen nach ruhiger Fahrt bei einschlafendem Wind am nächsten Mittag Figueira. Unsere letzte Nachtfahrt hätten wir allerdings lieber unter Segeln als unter Motor gemacht.

Einen Tag später treffen Brigitte und Jürgen am späten Nachmittag wohlbehalten im Hafen ein. Erhard und Karla beziehen das Vorschiff, wieder ein Schritt näher zum Abschied. Nun verbringen wir die Wartezeit auf günstigen Wind für die Weiterfahrt damit, die neuen Eigner in ihr Schiff einzuweisen. So vergehen die Tage wie im Flug, abends genießen wir die portugiesische Küche. Während der Fahrt nach Nazare können wir endlich noch einmal den Parasailor hochziehen, es ist eine schöne Fahrt bei achterlichem Wind, der sich im Laufe des Tages verstärkt. Wir bleiben gern in dem dezent touristischen Ort, essen gut, reichlich und preiswert Muschelgerichte und probieren auch den typischen Fischtopf. Besonders interessant und überraschend lecker ist die für uns ungewöhnliche Komposition aus Schweinefleisch und Herzmuscheln. Wie üblich ist das Essen in direkter Nähe der Markthalle am besten. Nach einer Fahrt mit der Seilbahn zur Oberstadt werden wir mit einem herrlichen Ausblick über die die Bucht und breiten Sandstrand belohnt. Einheimische Produkte, wie getrocknetes Obst, süße Leckereien sowie handwerkliche Arbeiten werden von Frauen in malerischen Trachten feilgeboten.

Mit viel Wind geht es am 2. Juli weiter nach Peniche. Bei unserer Ankunft geraten wir mitten in einen Schwimmwettstreit quer durch den Hafen und müssen mit Anlegen warten bis das Spektakel vorüber ist. Für die Initiatoren bedeutet dies Aufregung, uns wird ein sonst für die Rettungsboote reservierter Liegeplatz zum Warten zugewiesen, eine gute Möglichkeit zum Üben eines zusätzlichen Anlegemanövers. Wegen der anhaltenden Windverstärkung legen wir wieder Hafentage ein. Bei der Vielzahl der Fischrestaurants fällt uns dies nicht schwer, gibt es doch immer wieder neue Variationen an Fisch- und Muschelgerichten zu kosten. In dem netten Ort kann man gut bummeln und von der Festung aus weit über Meer und die Küste blicken. Inzwischen ist die Entscheidung gefallen, dass Gemma für den Rest des Sommers in Portugal, genauer gesagt in Portimao an der Algarve, bleiben soll.

Wir freuen uns nun auf den geplanten Aufenthalt in Lissabon und starten am 6. Juli nach Abflauen des Windes. Dieser verstärkt sich während der Fahrt und steigt kurz vor der Einfahrt in die Tejo-Mündung auf Böen von Windstärke 8 bis 9. Wir kommen kaum mit der Verkleinerung der Segelfläche nach. Bei diesen vorherrschenden Verhältnissen können wir es nicht wagen, in den Hafen von Cascais einzulaufen, zumal uns die örtlichen Gegebenheiten darin unbekannt sind. Der ausgewiesene Ankerplatz, den wir von früher kennen, ist inzwischen mit Fischerfähnchen bestückt. Bei hohen Wellen und über die weitläufige Bucht peitschender Gischt gelingt das Ankermanöver in respektierlichem Abstand vom Ufer wie üblich gut. Wir fühlen uns sicher, der Wind geht im Laufe des Abends zur Ruhe, der Tag endet beschaulich. Nach und nach bevölkert sich der Ankerplatz, keine der weiteren eintreffenden Yachten läuft in den Hafen ein. Am folgenden Morgen können wir uns mit einlaufender Tide in den uns bekannten Alcantara-Hafen schieben lassen und das Kulturprogramm in Angriff nehmen. Zu Fuß, per Bahn und mit dem altertümlichen Elevator geht es ausgiebig zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt und hinauf zur Burg. Es freut uns, dass dort oben grade ein Fado-Festival stattfindet. Im Fado-Club verbringen wir einen Abend mit musikalischem Auftritt und natürlich landestypischer Speisenfolge. Voll mit bleiben Eindrücken beschließen wir die Weiterfahrt für den 10.Juni. Der Morgen dieses Sonntags überrascht uns mit dickem Nebel. Die nahe Tejo-Brücke ist nur wahrzunehmen wenn der Nebel an einer Stelle kurz aufreißt und man um das Vorhandensein der Brücke weiß. Wir können unsere Mitsegler überzeugen, dass wir zur geplanten Uhrzeit nicht starten können und hoffen auf Lichtung gegen Mittag, wie es in der Region üblich ist. Es überrascht uns nicht, dass die Sicht, je näher wir der offenen See kommen, nicht anhaltend besser wird. Mit erhöhter Wachsamkeit aller durchfahren und queren wir die Flussmündung, begleitet vom Ton der Nebelhörner großer Schiffe, die wir nur auf dem Radarschirm sehen können. Einen Schreck jagt uns ein kleines Motorboot ein, das mit für die Sichtverhältnisse viel zu hoher Geschwindigkeit quer über das Wasser flitzt und im letzten Moment seinen Kurs von uns weg ändert. Wir werden etwas stiller und konzentrieren uns noch mehr auf die Umgebung. Von den Wahrzeichen der Stadt, wie Torre de Belem und Hieronymus-Kloster am Ufer, sehen wir heute nichts.

Nach einem langen und anstrengenden Tag erreichen wir Sines. Nach dem bisherigen Verzehr von so vielen Gerichten aus Meeresfrüchten und Fischen probieren wir im hochgelegenen Ort auf Empfehlung das Wildschweingericht, eine lokale Spezialität. Nach einem erholsamen Hafentag brechen wir am 12. Juli früh um 04:30 zur letzten Etappe der Überführung nach Portimao auf. Hier sind unsere restlichen Tage an Bord bis zur Abreise angefüllt mit Ausräumen unserer persönlichen Dinge und Instruktionen an die neuen Eigner. Während der beschriebenen, unserer letzten Reise mit Gemma haben wir in 7 Wochen 1426 sm zurückgelegt und dabei alle in der Vergangenheit gesammelten Erfahrungen eingesetzt. Am 17. Juli 2005 verlassen wir Gemma im Morgengrauen und fliegen von Faro aus nach Hause.

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26.2.2006